Gedichte zum Jahreswechsel

Eine neue Haut

Was passiert da mit dir? Bist ein seltsamer Baum!
Was da los ist mit mir? Du wirst mich beneiden:

Wenn zu eng wird mein Kleid (ich kann das nicht leiden),
dann streife ich‘s ab, halt‘ nicht mich im Zaum.
Die Rinde, sie rollt sich, sie löst sich vom Stamm,
sie gleitet in Streifen recht munter hinunter
und macht mich nun nackig. Ich hab ja nichts drunter!
Ist aber nicht schlimm, ist ja doch mein Programm:
Schön rot wird mein Outfit, so ganz ohne Saum.
Mit Haut und mit Haar, so wachs‘ ich im Raum …

Und ist da noch mehr, was Natur hat geformt?
Da ist noch ‘ne Botschaft, von der ich durchdrungen:

Ich soll wecken die Menschen, die alten und jungen,
besonders die trägen, die das Leben genormt.
Ich soll ihnen zeigen, was Aufbruch bedeutet,
sie ermuntern, doch mal was Neues zu wagen,
statt alten Ballast mit sich rum zu tragen.
Ich soll ihnen vormachen, wie man sich häutet,
damit sie begreifen, wie Altes sich wandelt,
das vorwärts-, nicht rückwärtsgerichtet bloß handelt …


Eberhard Kleinschmidt