"Des Lebens wechselvolles Spiel"

(Schiller: Das Lied von der Glocke, V. 413)

Fast ein Streitgespräch

"Wie ärgerlich! Wie dumm! Wie blöde!
Ich find' dies Spiel so richtig öde!
Kaum drin, schon fliegt man wieder raus
und kriegt nicht einen Stein nach Haus!
Ich hör' jetzt auf, hab' keine Lust
mehr. Jeder Zug - ein einz'ger Frust!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Mensch, ärgere dich nicht! so heißt es.
Der Würfel doch regiert - du weißt es.
Du nimmst die Sache viel zu ernst.
Was Glück bedeutet, du hier lernst.
Ein bisschen Spaß ist auch dabei,
ganz ohne jede Tüftelei."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Was heißt hier ‚Glück'? Bloß Zufall ist's,
der Augen Anzahl, du vergisst's!
Man kann beim Spiel rein gar nichts lenken,
geschweige denn mal etwas denken.
Da lob ich mir doch wirklich Schach.
Hier muss man planen, mannigfach,
nach vorne schau'n mit Strategie,
will man gewinnen die Partie.
Zwar ungewiss ist hier wie dort,
wie's Spiel verlaufen wird hinfort
- was spannend ist in beiden Fällen -,
doch kann der Zufall nichts vergällen.
Ein jeder hat es in der Hand,
ob ihm der Preis wird zuerkannt."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Spielball sind wir nur im Leben.
Hin und her geht's, auf und ab,
rauf und runter. Ganz ergeben,
hält uns irgendwas auf Trab.
Ist's ein Gott? Ist's die Regierung?
Unglück? Schicksal? So, wie's kommt,
kriegt der Mensch die Orientierung,
ganz egal, ob's ihm auch frommt.
Immer muss er sich dann fügen;
unvermeidbar ist sein Los.
Trotzdem sucht er sein Vergnügen,
weil er doch kein Trauerkloß."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst ihn gefangen es nimmt.
*
"Ein Spielball? Nein! Das darf nicht sein! Mitnichten
wie steuerlos dem Meere ausgesetzt,
versteht's der Mensch, sein Leben auszurichten
an Zielen, die verlangt vom Hier und Jetzt.
Ganz unbeirrt, in Freiheit selbst entscheidend,
gibt er Bewegung eine Richtung vor.
Konflikt und Streit, gar Kampf geschickt vermeidend,
so folgt er seinem Willen mit Humor."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst ihn gefangen es nimmt.
*
"Alles immer selbst bestimmen?
Möglichst noch nach Lebensplan?
So was lässt mich doch ergrimmen!
So was halt' ich für 'nen Wahn!
Immer kommt dir was dazwischen.
Unvermutet, ungeplant
kann es plötzlich dich erwischen.
Unbegreiflich, ungeahnt
zeigen sich dir Möglichkeiten.
Unvorstellbar, zwar erhofft,
manchmal Wünsche dich begleiten,
aber ‚Unverhofft kommt oft'!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Dem Zufall redest du erneut das Wort.
Und überhaupt … wie du es willst verstehen,
beherrscht des Würfels Willkür jeden Ort.
Du überlässt dich ihr und lässt's geschehen:
es macht mit dir das Leben, was es will.
Was Zufall sonst noch ist, gilt's zu begreifen:
die andren handeln dort, wo du hältst still;
verborgen dir, die Pläne andrer reifen."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Was nicht alles macht das Leben aus!
Alles sieht man aufeinander prallen:
Liebe bald, bald Hass regier'n im Haus.
Freud' und Leid ganz nah zusammenfallen.
Glück und Unglück sind als Element
fest verknüpft in menschlicher Erfahrung.
Schwer das Gute sich vom Bösen trennt.
Unzufriedenheit gar neue Nahrung
stets bei dem erhält, der nie genug.
Was kann da ein einzelner erreichen?
Wird daraus wohl je ein einz'ger klug?
Gib in diesem Chaos mir ein Zeichen!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Die Gegensätze treiben dich voran.
Sie auszugleichen, ist dir aufgegeben.
Ja, so nur stehst du deinen Mann!
Dynamik heißt die Forderung für's Leben.
Nur der gewinnt, wer mutig etwas wagt.
Allein Entwicklung bringt die Menschheit weiter.
Nicht Stillstand, nein, Bewegung ist gefragt.
Nicht der, der sitzt, wer aufbricht, der ist heiter!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Was ist jedoch mit Krankheit, gar mit Tod?
Du tust grad so, dass willentlich entgehen
man könnte einem höheren Gebot.
Das glaub' ich nicht! Da heißt es tiefer sehen!
Denn selbst wenn du dich hältst für'n Mann der Tat,
stehst früher oder später du vor Schranken,
die sagen: Halt! Jetzt hol' dir letzten Rat
woanders, nicht bei eigenen Gedanken!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Hab's selbst erlebt,
in Angst geschwebt:
Ein tiefer Fall
wie aus dem All,
ein Aufprall, hart,
nach Hammerart,
ein Blitz, ein Schlag,
es weicht der Tag …
Und nie geahnt,
nicht angebahnt,
ganz unverhofft,
nicht - wie so oft -
vorhergesehn
als Drohgeschehn …
So lieg' ich da,
der Ohnmacht nah
für den Moment.
Der Kopf mir brennt.
Was ist passiert?
Der Geist sortiert.
Was soll nun werden?
Mit was für Beschwerden?
Wer wird mich heilen,
den Kummer teilen …?"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Hab's dann erlebt,
wie's mich erhebt:
Ich richte mich auf,
kann selbst sogar stehen.
Es geht nun hinauf,
kann selbst sogar gehen.
Es geht auch bergan,
kann selbst mich bewegen.
Ich nehme mein Los willig an,
ich stemme mich nicht erst dagegen …
Und was wohl der Absturz besagt?
Was will er tiefinnerst mich lehren?
Hab' ich mich vielleicht zu weit vorgewagt?
Soll lassen im Außen das Streben, Begehren?
Hier bremst es mich aus …
Ich gehe nach Innen …
Im eigenen Haus
besehe ich drinnen
die Kräfte, die da,
zu wandeln Gedanken,
die düster beinah,
zu beseitigen Schranken,
die hindern, zu lindern und an sich zu wachsen,
anstatt sich jetzt mutlos den Kopf zu verknacksen …
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst mich gefangen es nimmt."
*
"Auch Tod
bedroht
das Spiel und stoppt
es, ja er foppt
uns Spieler, wie er will,
nicht laut, nicht schrill, nein still,
agiert mit heimlichem Gesetz
als Hauptfigur des Spielebretts,
beäugt mit List den Gang bei jedem Zug
und teilt uns plötzlich mit, wann es genug."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Schluss! sag ich, ihr Kontrahenten,
jetzt mit solchen Argumenten!
Jeder kennt nur seine Seite,
keiner schaut mal in die Weite!
‚Selbstbestimmt sieht sich mein Ich',
‚Ausgeliefert fühl' ich mich',
meint der erste, meint der zweite
überzeugt in diesem Streite.
Ist da nicht noch etwas mehr?
Leben ist doch nicht so leer!
Außerdem, bei diesem Ziel
wird zum bitt'ren Ernst, was Spiel!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst euch gefangen es nimmt.
*
"Nicht immer nur eilen:
mal einfach verweilen!
Nicht immer nur warten:
ganz einfach mal starten!
Nicht immer nur bauen:
mal einfach vertrauen!
Nicht immer nur streben:
mal im Augenblick leben!
Nicht immer nur lenken:
mal die Arme verschränken!
Nicht immer nur fassen:
auch mal was verpassen!
Nicht immer sich sorgen:
sich mal Gelassenheit borgen!
Nicht immer nur greinen:
mal freundlich erscheinen!
Nicht immer nur denken:
sich mal einfach verschenken!
Nicht immer nur sinnen:
ganz einfach mal spinnen!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Ob solch ein Programm wohl auch wirklich gelingt?
Wie wär's denn, wir würden's gemeinsam probieren?
Was könnten wir schließlich dabei schon verlieren?
Mal sehen, was spielerisch' Handeln uns bringt.
Nur Reden statt Tun? Für Erfolg ein Beleg?
Ich finde, es müsste mal etwas geschehen!
Mein Vorschlag nun: Lasst uns zum Irrgarten gehen …
da drüben … der Eingang … die Hecken … der Weg …
Man sagt doch, Besuche im Irrgarten seien erstrebens-
wert, weil sie ein treulicher Spiegel des richtigen Lebens."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Los, auf geht's, ihr Leute! – Und wer geht voran? –
Nein, ich nicht schon wieder, nein! Du bist heut' dran! –
Wie hoch sind die Hecken! Man kann gar nichts sehen! –
Nur zu! Nicht so zögerlich! Bleibt nicht gleich stehen! –
Nach rechts jetzt? nach links? – Tja, wo denn nun weiter? –
Hat jemand 'nen Plan? – Oder besser 'ne Leiter? –
Schon wieder ein Abzweig! – Kommt, hier muss man lang! –
Wohl rechts eher, scheint mir der kürzere Gang. –
Ach, wenn man doch etwas mehr Übersicht hätte! –
Wie kommt man hier 'raus? – Nie und nimmer, ich wette. –
'ne Sackgasse! Kriegt keinen Schreck! –
Was hat das bloß alles für'n Zweck?! –
Wo haben wir eigentlich angefangen? –
Warum sind wir überhaupt 'rein gegangen? –
Genau, dieses Rumirren ist mir ein Graus! –
Und ich will nach Haus! –
So kurz vor dem Ziel?
Du verdirbst uns das Spiel! –
Nach links, dann gradaus … und schon sind wir da …
die Mitte … o seht nur! geschafft! ja! hurra! –
Der Rückweg wird leicht, denn wir kennen den Weg. –
Vergisst du die Hecken, des Spiels Hypothek? –
Schon wieder das Gleiche:
'ne Kreuzung statt Weiche! –
Wir werden erneut uns verlaufen! –
Ich muss mich jetzt erst mal verschnaufen. –
Warum stellt denn keiner hier Schilder hin? –
Auch ich wüsste gerne, wo ich nun bin! –
Wir waren schon einmal an dieser Stelle. –
Wir sollten dann umkehr'n, auf alle Fälle! –
Unmöglich, denn hier sind wir richtig! –
Still! Konzentration ist jetzt wichtig! –
Dort hinten … der Ausgang … zum Glück! –
Na endlich zurück!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Ich frag' mich, ob dieser Versuch nun geglückt,
ob jeder, der teilnahm, am Ende entzückt …
Was meint ihr?" – Programm ist zu schwer, ganz utopisch! –
Das Leben ist hart, die Idee philosophisch! –
Was sollen wir schließlich denn noch alles lernen?! –
Das Leben von uns'ren Problemen entkernen?
Das geht überhaupt? – Du lebst in den Sternen! –
Man kann sich von dem, was real, nicht entfernen! –
Und wir sollten den Irrgarten auch noch genießen,
wo ständige Hindernisse einen verdrießen?! – –
"Ich merk's, eure Einwände woll'n mich verwirren.
So schnell aber lass' ich mich nicht … beirren:
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
Im Spiel sind wir leicht und vergnügt.
Wie im Tanz geht's nach vorn und zurück
und zur Seit', auch am Platz mal ein Stück.
Und wir nehmen es so, wie sich's fügt.
Im Genuss des Moments, ganz entspannt,
ist vergessen zuweilen der Zweck,
auch dass Regeln sind hier mit an Deck,
die zu Anfang als richtig erkannt.
Und mit Freude am Sinn dieses Spiels
sind wir dabei: vom Verlauf wie gebannt,
vor Überraschung gefeit, doch gespannt
und gewärtig des endgült'gen Ziels.
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt."
*
"Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit!
Ich vermisse noch die letzte Klarheit!
Hast du denn die Zeit im Spiel vergessen?
Kannst wohl ihre Schwere nicht ermessen?
Dass im Spiel die Zeit sei aufgehoben?
Illusion! Mit allem Tun verwoben,
spielt sie auch ins Leben stets hinein.
Frei im Augenblick? Welch schöner Schein!
Heute wirkt ja nach, was gestern war;
morgen ist der heut'ge Einsatz ablesbar.
Spielt nur weiter! Doch ihr sucht vergebens,
wegzutun die Zeit im Spiel des Lebens!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst euch gefangen es nimmt.
*
"Oje! Was machst du aus dem Spiel?!
Des Negativen ist's zu viel!
Belastet, ja fast ausweglos
scheint hier gespieltes Spiel: zu groß
bemessen sind die Konsequenzen,
zu eng gesetzt des Handelns Grenzen!
Auch Gutes gilt's zu bilanzieren,
und Schlechtes lässt sich korrigieren.
Denn Schuld und Sühne sind verkettet:
wer sich verstrickt, den Umkehr rettet.
Ein Spiel ist jedenfalls stets offen.
Wo bliebe sonst des Spielers Hoffen?"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst ihn gefangen es nimmt.
*
"Na ja, wenngleich nicht deutlich ausgesprochen,
gilt auch bei dir die Freiheit nur beschränkt,
ist's nicht der freie Wille bloß, der lenkt.
Nur theoretisch kannst du darauf pochen.
Denn praktisch fühlst du Werten dich verpflichtet:
was deinem Leben eine Richtung weist,
wovon du, selbst bestimmt, dich nicht befreist,
woran dein Tun bleibt ständig ausgerichtet.
Im Übrigen lebst du ja nicht alleine.
Die Folgen dessen, was du tust und lässt,
musst selbst du tragen, ganz und ohne Rest.
Nur so kommst du mit anderen ins Reine."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Ja, zum Spiel auch gehört, was Hans Sachs uns gelehrt,
nämlich: ‚Zweieinig geht … der Mensch … am best!'
Denn ein Leben im Streit jedes Sinnes entbehrt,
ist doch Zwietracht der Menschheit verheerende Pest.
Wir haben's erlebt, was ein Spiel fast zerstört.
Ja, gemeinsam zu planen, gemeinsam zu handeln
- wozu ohne Zweifel Vertrauen gehört -,
macht uns allen es leichter, auf Erden zu wandeln."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Zur Verständigung ward uns die Sprache verlieh'n
und zugleich das Gespräch. Wie zwei Pole bedingen
sich Reden und Zuhören als Disziplin,
soll gemeinschaftlich Tun nun auch wirklich gelingen.
Es nährt sich das Leben vom Austausch des Worts,
- wahrhaftig und aufrichtig-offen gesprochen -,
als Ausdruck ersehnten Dur-Gleichklang-Akkords,
damit dauerhaft Disharmonie unterbrochen."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Gut und schön! Jedoch stell' ich die Frage,
ob der Mensch denn fähig, immerfort,
jeder Zeit, wohl gar an jedem Ort
im Verbund zu wirken. Da versage
ich zum Beispiel rasch in vielen Fällen.
Rückzug ist mir wichtig wie das Brot;
sonst gerate leicht ich aus dem Lot.
Einsam erst, in mir Ideen quellen.
Einsam erst, zu mir ich endlich finde.
Einsam erst, schöpf' ich die nöt'ge Kraft,
die mich hält, mich trägt, ja, die es schafft,
dass ich wieder draußen Kräfte binde."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst mich gefangen es nimmt.
*
"Du hast wohl Schwierigkeiten, dich zu binden?
So eingestellt, wirst kaum du einen finden,
den deinen Freund du eines Tages nennst,
wenn immer wieder du dich von ihm trennst.
Hast du denn niemals dies Gefühl empfunden,
das da ist, plötzlich, wenn du, ihm verbunden
seit langer Zeit, den Menschen wiedersiehst?
was zwischen euch an Energien fließt?
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
Hör zu! Lass dir erzählen!
Du kannst dann selber wählen …
Da ist ein Mensch, den lang du kennst,
von dem du niemals dich mehr trennst,
weil er - ein selt'nes Exemplar -
gehört zu deinem Inventar ...
So ist's, bei einer Inventur
würd' dir was fehlen, wenn er nur
noch auf der Liste stünde … weg!
Du fragst nach seinem Daseinszweck?
Warum ihn überhaupt vermissen,
wenn sonst er bleibt im Ungewissen?
Nun ja, da sind Erinnerungen:
Was miteinander gut gelungen,
man ja nur selten mal vergisst,
auch wenn es längst vergangen ist.
Doch nicht nur so etwas verbindet,
so dass man rasch sich wieder findet.
Da ist noch mehr … Wie drück' ich's aus?
Du siehst ihn - und fühlst dich gleich zu Haus,
bist angekommen, flugs, im Nu,
kaum hinter dir die Tür ist zu.
Du denkst … du spürst es im Moment,
dass gestern erst ihr euch getrennt.
Das Wiedersehen stimmt dich heiter
und ohne Umstand machst du weiter,
wo du zuletzt hast aufgehört.
Nichts gibt es, was dich dabei stört.
Und nun passiert's: du bleibst nicht stumm,
der andre auch nicht. Rundherum
wird alles ausgetauscht, was war,
was ist, was sein wird. Ist doch klar!
Du kannst ihm alles anvertrauen
und ohne Skrupel darauf bauen,
dass er's für sich behält und schweigt.
Bei allem, was du sagst, er zeigt,
dass er dich annimmt, wie du bist,
und nicht zu ändern sucht, was ist.
Die Worte gehen hin und her,
die Zeit, sie existiert nicht mehr.
Und eh' man es so recht bedacht,
ist's weit schon über Mitternacht.
Du magst dich, wie gesagt, nicht trennen,
denn wiederum musst du erkennen,
dass du nicht viele kennst wie ihn,
ob maskulin, ob feminin,
der in der Ferne schon war nah,
ganz gleich was immer auch geschah,
und jetzt erst recht ist's. Abschied nehmen,
zwar musst du dazu dich bequemen,
du weißt jedoch, wie du dich kennst,
nicht ewig du dich von ihm trennst."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
* *
"'Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu sein' --
manchem, der darum gerungen,
wollt's zum Segen nicht gedeih'n.
Wer trug Schuld? Lag's gar an beiden?
Wo zu suchen ist der Grund?
Muss nun deshalb einer leiden,
wie's der Dichter tut uns kund:
'Und wer's nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund'? --
Dass ich euch es nicht verhehle:
Leicht macht's sich des Dichters Mund!
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
Seinen Vorwurf lasse ich nicht gelten!
Wechselfälle spielen oft hinein:
Da verlässt der Freund den Ort … allein …
'Aus den Augen, aus dem Sinn' ... Wird schelten
man, die aus den Augen sich verlieren?
Manche gehn verlor'n im Lebensweg,
manche bindet nur ein schmaler Steg.
Auch die Zeit kann vieles komplizieren:
fehlt sie, sieht man bald sich nur noch selten;
was einst heiß war, wird allmählich lau;
Menschen kennen sich nicht mehr genau. -
Trennung ändert häufig Lebenswelten.
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt."
*
"Doch wieder und wieder sie tun sich zusammen
und, weil sie ja Adam und Eva entstammen,
gar oft zueinander in Liebe entflammen.
Doch da spielt das Leben so richtig erst mit!
Ach, wie lang' dauert's, bis für die Liebe du fit!
Und warum? Sie verfolgt dich auf Schritt … und Tritt …
Erst ein Spüren, Berühren,
dann ein Tasten, kein Rasten,
ein Suchen und Buchen,
ein Lauern und Mauern,
ein Besehen, Verstehen,
ein Finden, Empfinden,
ein Schüren, Verführen,
ein Beben und Schweben,
ein Beglücken, Entzücken,
ein Besinnen, Verrinnen,
ein Schwanken und Zanken,
ein Losbinden, Schwinden …
Bilanzieren …Verlieren …
Erkennen … Sich-Trennen …
die Liebe verfluchen und … abermals Suchen …
Und nun fängt das Spielchen von vorne an!
Ob frustriert, ob ernüchtert, erneut bist du dran!
Zu ernst ist die Sache! Nimmt hart … dich ran!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Die Liebe ist kein leichtes Spiel,
ein Spiel, das du erst lernen musst.
Die Regeln machen dir bewusst,
dass nicht nur dein Herz ist fragil.
Als Egoist nicht tauglich bist.
Dein Partner fühlt sich eingeengt,
in seinen Wünschen eingeschränkt.
Gewinnt, nur wer sich selbst vergisst,
sich hinten anstellt als Person,
den andren nimmt, so wie er ist,
nichts ändern will und nichts vermisst.
Etappenziel heißt die Lektion."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Wer liebt, der ist auch immer da.
Er dient, er hilft, er fühlt sich ein
und tut's für das Zusammensein,
ganz gleich was immer auch geschah.
Wenn's im Konflikt dann doch mal hakt,
hast du, verstehend, tolerant,
bemüht, des Pudels Kern erkannt.
Im Ausgleich bist erst du gefragt.
Und wiederum, die Harmonie,
sie kehrt zurück, wenn jeder spricht
und zuhört bei des andren Sicht.
Sonst Regeln trockne Theorie!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Dein Partner, er gehört dir nicht,
wie ein Besitz, für immer dein.
Stets neu will er umworben sein
und neu entdeckt wie ein Gedicht.
Noch viele Seiten in ihm stecken,
die du womöglich gar nicht kennst,
und die, indem du sie benennst,
sein Selbstgefühl behutsam wecken.
Gewöhnung alles dir verdirbt.
Gerät der andre aus dem Blick,
betrachte dies nicht als Geschick!
Wenn Liebe nicht mehr wirbt, sie stirbt!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst dich gefangen es nimmt.
*
"Ist Liebe immer derart regelschwer?
Bei solcher Last
erscheint sie fast
wie Liebe-leer …,
wie Erde, die an meinen Füßen klebt,
die zwar die Basis, doch mich kaum erhebt!
Ich wünschte mir, dass sie auch wirklich lebt!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst mich gefangen es nimmt.
*
"Ich möcht' mich in Liebe zum Himmel schwingen
und bis an die äußersten Grenzen dringen,
das Du dort zu finden,
mich ihm zu verbinden.
Ich möchte die Wolken voll Lust umschlingen
und hören, wie in mir die Sphären erklingen,
das Du zu empfinden,
bis die Sinne mir schwinden.
Ich möchte auf Flügeln die Lüfte bezwingen,
mich dem All verdingen und das Wunder vollbringen,
mich an Dich zu schmiegen,
um mit Dir zu fliegen, zu fliegen, zu fliegen …"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst mich gefangen es nimmt.
*
"Was du empfindest, das ist wahres Glück!
Im Glück der Liebe eins und aufgehoben,
bedeutet dir Glückseligkeit. Ein Stück
davon nennst du jetzt dein, ist fest verwoben
mit dir, mit deinem Wesen, deinem Leben.
Gilt doch Glückseligkeit des Menschen Streben."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst ihn gefangen es nimmt.
*
"Allein, nur wer auch fähig ist, zu finden,
was er denn sucht, kann's schließlich an sich binden.
Das Glück fällt ihm nicht einfach in den Schoß.
Es aufzuspüren ist nicht leicht, zu greifen,
zu halten schwer, wie stark auch sei, wie groß
sein Wunsch, es möge stetig in ihm reifen.
Das Glück hat Flügel, doch ist immer da.
Der Mensch besorge, dass es immer nah!"
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst ihn gefangen es nimmt.
*
"Wieder sieht es fast so aus,
dass der Mensch das Maß der Dinge,
der allein bestellt sein Haus,
dass gar er der Herr der Ringe.
Grenzen kennt bereits das Spiel:
Anfang, Ende sind gegeben,
Plan und Zeit. Je nach Profil
regeln Regeln Spieler-Streben.
Glück und Zufall spielen mit,
so dass jeder sich muss beugen,
der verliert, weil andre quitt,
mag es auch von Pech bloß zeugen."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst ihn gefangen es nimmt.
*
"Wie des Lebens Bälle auf dem Spielfeld rollen,
hängt nicht ganz allein von unserm Willen ab,
auch wenn wir's nicht immer gleich begreifen wollen.
Leben eben mehr ist als der Davis-Cup!
Da spielt jemand mit, der unsichtbar zugegen,
nicht zu fassen, nicht zu halten und doch da.
Wir bemühen uns - sind trotzdem unterlegen;
eben noch erfolgreich - scheitern wir beinah;
wollen hoch hinaus - und finden uns am Boden;
eben noch im Himmel - stürzen wir herab.
Rebellion dann gegen diesen Antipoden
lehrt uns schließlich Demut, eh' wir völlig schlapp."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt?
*
"Ich spüre hier noch stark den harten Wettkampf raus!
‚Am Boden', ‚unterlegen', ‚scheitern' - ist das Demut?
Spricht so Humor, der immer macht das Beste draus?
Wo bleibt die Leichtigkeit des Spiels? Ja, fast mit Wehmut
denk' ich zurück, was drüber vorhin schon gesagt!
Was ‚Demut' hier, würd' ich Gefühl der Ohnmacht nennen.
Wer so empfindet, arrogant sein Los beklagt,
anstatt, sich selbst bescheidend, endlich zu erkennen,
dass längst nicht alles wohlfeil steht in unsrer Macht,
dass wir, obwohl bemüht, an unsre Grenzen kommen,
dass trotzdem unser ganzes Tun ist überdacht
und wir in diesem Weltenhaus stets angenommen."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Wie tröstlich, zu spüren, dass da jemand ist,
der als Mitspieler auftritt, in wechselnden Rollen,
der, uns überlegen, als Generalist
ist zugegen, uns lenkt und uns leitet im vollen
Vertrauen, auch ohne dass dies uns bewusst:
ob als Spielführer alles beherrschend und tragend,
als Schiedsrichter teilend Gewinn und Verlust,
ob als Zuschauer unsichtbar feld-überragend,
als Helfer, der beiträgt, dass alles gelingt.
Ja, und tröstlich, dass milde der Meister im Fache
beurteilt, was jeder im Spiele erbringt,
der mit Einsatz dabei in gemeinsamer Sache."
*
Ein Spiel ist das Leben, vom Wechsel bestimmt,
mit heiterem Ernst uns gefangen es nimmt.
*
"Ja, lasst es uns nehmen mit Dank als Geschenk,
und zwar immer der Tatsache eingedenk,
dass im Spiel wir sind leicht und vergnügt.
Wie im Tanz geht's nach vorn und zurück
und zur Seit', auch am Platz mal ein Stück.
Und wir nehmen es so, wie sich's fügt.
Im Genuss des Moments, ganz entspannt,
ist vergessen zuweilen der Zweck,
auch dass Regeln sind hier mit an Deck,
die zu Anfang als richtig erkannt.
Und mit Freude am Sinn dieses Spiels
sind wir dabei: vom Verlauf wie gebannt,
vor Überraschung gefeit, doch gespannt
und gewärtig des endgült'gen Ziels."

 

Eberhard Kleinschmidt
2005-11