Gedichte zum Jahreswechsel

Spruchweisheit

(… auch beim Poetry Slam …YouTube)

Ein Sünder, neujahrs fest entschlossen
zu bessern, was im Vorjahr ihn verdrossen,
weil’s ihm das Sprichwort oft gesagt
und sein Gewissen arg geplagt,
dass der direkte Weg zur Hölle
gepflastert sei, ja überquölle
von lauter echtem, gutem Vorsatz,
der dann trotz mahnend-moll-Ton-Chorsatz
besorgter Engel komm’ abhanden,
ach, werde regelrecht zuschanden  -
besagter Sünder nun erneut
dran denkt, was er so tief bereut,
und malt sich wie im Traume aus,
wie’s in der Hölle ist, o Graus:
wie’s kneift und piekt, wie’s zwickt und zwackt,
wie ihn ein mächt’ger Drache packt,
ihn feuerspeiend tut behauchen,
weil er nicht aufgehört zu rauchen,
wie ihn ein Teufel malträtiert,
mit Nadeln piekst und drangsaliert,
weil er bloß sitzt, sich nicht bewegt,
den Trimm-dich-Plan hat weggelegt.
„Wo ist bloß dein Elan geblieben,
hast wieder keinen Sport getrieben?“
ein andrer Dämon faucht und sticht
beherzt ins hintere Gesicht.
Da kommt gleich noch ein Folterknecht
und will  -  er selbst total bezecht  -
kopfüber ihn in’s Bierfass tunken,
da er zu oft zu viel getrunken.
Und allseits brodelt’s, zischt’s und sprüht’s
und kocht’s und brüht’s und brennt’s und glüht’s.
Der Sünder leidet Höllenqualen.
„Wofür muss ich denn noch bezahlen?“
„Du hast gelobt, mal zuzuhören
und Monologen abzuschwören! -
Du wolltest Selbstbewusstsein üben
und weniger dein Ich betrüben,
anstatt auf andere zu achten
und deren Ego anzuschmachten. -
Du hast versprochen aufzugeben
das Urteil über Andrer Leben. -
Mit nichts bist du vorangekommen!
Sei im Inferno uns willkommen!“ -
So geifern sie, die Teufelchen,
und füllen ihre Schäufelchen
mit lauter glühend heißen Kohlen,
um zu verkohlen ihm die Sohlen,
um johlend Beine ihm zu machen
und seinen Eifer anzufachen.
Von allen Seiten fies bedrängt,
zuerst versengt, dann halb ertränkt,
versenkt, beengt, gezwängt, gelängt,
bald aufgehängt und fast erhenkt,
bald ferngelenkt herum geschwenkt,
die Glieder schließlich ausgerenkt  -
ein Alptraum für den Vorsatz-Sünder!
Im Höllensturz die Höllenmünder
ihn tausendfach daran gemahnen,
was er geschrieben sich auf seine Fahnen,
doch leider ward nicht eingelöst
und nun liegt schonungslos entblößt. ---
Er stockt, fährt auf, total verwirrt ...
Wohin hat sich sein Geist verirrt?
Er stöhnt zwar noch: „So haltet ein!“
denkt aber gleich: „Das kann nicht sein!
Bin ich verrückt? Das ist nicht wahr!
Zum Teufel mit der Teufelschar!
Das sind phantastische Chimären
aus hirngespinst’gen finst’ren Sphären!
In welcher Hölle bin ich hier?
Wer hat denn wen hier im Visier?
Wer ist’s, der mahnt, dass dies ich tu
und jenes lass’, der Seelenruh
zulieb’ und für ein gut’s Gewissen,
das sei ein sanftes Ruhekissen?
Wer droht mit Hölle, Tod und Teufeln,
will mir den Geist mit Gift beträufeln?
‚Ich sollte … müsste … dürfte nicht …’
wer eigentlich so zu mir spricht
und obendrein es dazu bringt,
dass Vorsatz bald mit Vorsatz ringt,
weil’s davon viel zu viele sind,
dass alle schlag’ ich in den Wind?
Reicht nicht am Ende gar nur einer,
vielleicht ein überschaubar kleiner?
Zur Hölle also jetzt mit ihnen,
den vielen „guten“, die ich soll bedienen!
Dort unten mögen sie dann braten
für ihre nicht getanen Taten!
Ich jedenfalls, ich bleibe hier,
bei mir, im eigenen Revier,
bin gut zu mir und ganz gelassen
und halt’ nichts fest, was nicht zu fassen.
Ja, diesen Vorsatz lös ich ein …
als einzigen … und den allein!“


Eberhard Kleinschmidt