Gedichte zum Jahreswechsel

Der Bedenkenträger

Was kommt da wieder auf mich zu?
Da rüber?! Sieht man schon von ferne:
das klappt nicht, nie! Das passt partout
mir nicht! Man wird ja nass! Kein Schuh
bleibt trocken! Wer hat das schon gerne!
Denk’ nicht, dass so was je ich  lerne!

Der Wildbach dort. Es braust und saust,
es schäumt und spritzt nach allen Seiten!
Kein Übergang, wohin du schaust!
Du traust dem Halt der Steine? baust
beim Springen drauf, dass sie dich leiten?
hast keine Angst, mal abzugleiten?

Ach so, da vorn ist doch ein Steg …
Da soll ich rüber?! Der soll halten?
Wie wackelig! Was für ein Weg!
Geländer fehlt! Bei so was pfleg’
ich kehrt zu machen ... Angeschnallten
nur zuzumuten sind Naturgewalten!

Was dringt da wieder bei mir ein?
Es sickert durch … woher gekommen? …
kommt ungebeten … von allein …
es macht sich breit, stellt mir ein Bein,
bringt mich zu Fall ... bin wie benommen …
und lässt zurück mich ganz beklommen …

Und doch ... da drüben … welch ein Land!
Mir zugekehrt die grünen Auen,
der sanften Hügel Moosgewand,
am Horizont der Gipfel Band,
die Täler tief hineingehauen –
all das, ich kann’s kaum überschauen!

Hinüber! Ja, da möcht’ ich hin!
Dies Land, es ist so weit, so offen,
es schließt mir auf verengten Sinn,
es lädt mich ein und sagt: „Beginn’,
nur zu! Du hast es gut getroffen.
Nun nimm, was immer magst erhoffen!“

Und langsam, tastend, Schritt für Schritt,
setz’ einen Fuß ich vor den andern …
Es hält, es trägt! Der Steg macht mit!
Wer wagt, gewinnt! Mit festem Tritt
werd’ ich das Land vor mir erwandern,
geraden Wegs  -  und nicht mäandern!


Eberhard Kleinschmidt