Der andere Frühling

Ein lyrisch-musikalischer Spaziergang durch Riddagshausen (2010)

Inhaltsbeschreibung

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Ein Frühlingserlebnis besonderer Art in Text, Bild und Musik, dargeboten als lyrisch-musikalischer Spaziergang. Der Frühlingsbeginn steht im Mittelpunkt, der Aufbruch der Natur in neues Leben nach langer, kahler Winterzeit: eine ermutigende Auffor­derung an den Menschen, sich selbst noch einmal auf den Weg zu machen. Die Ge­dichttexte, in überkommenen Formen, Versmaßen und Reimen verfasst, und die stimmungsvollen Fotos stehen in dem Text-Bild-Bändchen einander gegenüber. Auf der beiliegenden CD ist der Live-Auftritt eines Auftritts zu hören. Hier werden die Texte vom Autor selbst rezitiert. Peer Kleinschmidt, Komponist (HFF Potsdam-Babels­berg), umrahmt den Vortrag klangmalerisch mit seinen Klavierimprovisationen.

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Der Frühling unterwegs

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1

„So war das wirklich nicht geplant,
was sich seit Wochen angebahnt!
Nein! Und schon gar nicht abgesprochen!
Der hat ganz klar sein Wort gebrochen!
Zieht sich zurück schon vor der Zeit,
ach, schlimmer noch, ist nicht bereit,
sich einzusetzen mit Elan,
wie sich’s gehört, wie’s steht im Plan.
Nicht nur, dass ich schon früher dran,
er stand ja nicht mal seinen Mann!
Wo blieb der Frost? ’s gab wenig Schnee,
nur Wind und Regen, tat kaum weh.
Kollege Winter ist nicht mehr,
was er mal war, das ist langher.

Der Frühling unterwegs

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2

Dem Herbst stahl er ganz frech die Show,
äfft’ ihn bloß nach, klaut’ sein Know how
und schickt nun mich zu früh ins Rennen,
weil er will einfach weiter pennen.
Ich sag’s euch heut’: macht der so weiter,
ihr werd’s noch sehen: das wird heiter!“

Der Frühling ist’s, der so hier spricht.
Empört ist er  -  verhehlt es nicht  -,
dass der Kalender nicht mehr stimmt
und sich Natur so früh schon trimmt.
Vor Frühlingsanfang aus dem Haus?
Er zögert, wagt sich kaum heraus.

Der Frühling unterwegs

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3

Ganz heimlich, ohne Publikum,
tritt er an’s Licht, er schaut sich um,
noch zaudernd, ob er auch genehm
so früh im Jahr, nicht unbequem
für Wald und Flur, für Feld und Wiese,
verspürt ’ne leichte, frische Brise  -
und stutzt … traut seinen Augen nicht …
Was tut sich da vor seinem Angesicht?
„Natur ist schon in vollem Gange!
Die ist scheints überhaupt nicht bange!
Das wächst und wuchert, sprosst und sprießt,
wohin du ringsherum nur siehst!
Sieht aus wie’n einz’ger Wettbewerb,
dies Wachsen auf Gedeih, Verderb.“

Der Frühling unterwegs

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4

Der Frühling macht sich auf den Weg:
am Bach entlang, am Teich, am Steg.
Wohin er schaut  -  das erste Grün
ist übereifrig im Bemühn,
den andren ja zu übertreffen,
einander nur nicht nachzuäffen.
Ob Baum, ob Strauch, ob groß, ob klein:
bloß grüner als der Nachbar sein!
Das scheint sein einziges Bestreben.
Ein jeder will sein Letztes geben.
„Ich möchte heimlich nur mal gucken
und werd’ mich dabei runterducken,
damit mich niemand sieht noch hört
und weiter grünt ganz ungestört  -,
wie’s geht und steht in meinem Reich,
wo Winter wirkte lasch und weich.“

Der Frühling unterwegs

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5

Doch das geht schief. Da wird aktiv
die frisch begrünte Welt im Kollektiv.
Sie hat den Frühling gleich erkannt
an seinem farbenfroh’n Gewand.
Inkognito? Das klappt mitnichten!
Nun soll er unparteiisch richten.
Ein jedes will die Gunst genießen,
dass es gesehen wird beim Sprießen,
zeigt wie ein Kind, was es schon kann,
erpicht, dass es als erstes dran.

Der Frühling unterwegs

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6

„Ach bitte, guck mich an!“ „Nein, mich!“
„Schau her! Ich kann’s!“ „Erst ich!“ „Nein, ich!“
Welch Andrang nun aus allen Ecken!
Da will nicht einer sich verstecken.
Hier breiten Blättchen Flügel aus,
als flögen aus dem Zweig sie ’raus.
Da richten stolz im Grün-Gewimmel
sich Triebe fingergleich gen Himmel.
Und dort, da kommt aus roten Sprossen
ein keckes Grün hervor geschossen.
Man schubst und stupst, man stößt und schiebt,
wie’s jedem passt, wie’s ihm beliebt.
Beim Drängeln um den freien Raum
hält jetzt sich keiner mehr im Zaum.
Es scheint, man wolle sich bekriegen,
als wolle schließlich jeder siegen …

Der Frühling unterwegs

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7

„Bin ich hier etwa Wettkampfrichter?
Soll ich hier wirken wie ein Schlichter?
Möcht’ eher fühlen wie ein Dichter,
wenn ich so seh’ all die Gesichter,
die unbeschwert beschau’n die Welt,
so fröhlich, offen, unverstellt,
die wachsen wollen, Zukunft meistern,
sich sehnen, hoffen, sich begeistern …“
Der Frühling denkt’s … zieht sich zurück …
behutsam … lächelnd … voll vom Glück
des Neubeginns im grünen Treiben …,
das, ach, so schwer ist zu beschreiben!

Frühlingsmorgen

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Oh, Frühlingsmorgen, sonnenüberstrahlt
geleitest du den Tag in seine Bahnen!
Wer eingemauert, wird wohl kaum erahnen,
wie alles ringsumher mit Farben prahlt.

Und wessen Herz verschlossen, gar verschalt,
ob der von diesem Aufbruch lässt sich mahnen,
zu überdenken all sein Wirken, Streben, Planen
und was bisher von ihm dafür bezahlt?

Natur, ach, hol’ mich ’raus aus dieser Enge,
befreie mich von auferlegter Strenge
und mach’ mir alle meine Sinne weit,

damit ich spüre Düfte, Farben, Klänge,
der Lebewesen aufmunternd Gedränge
und recht genieße diese Frühlingszeit!

Frühlingslied II

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Da bist du nun, du Sonnen-Mai!
Der Winter ist bezwungen.
Ich bin dabei, ich fühl’ mich frei,
hab’ sehr darum gerungen.

Wie lange hab’ ich dich ersehnt,
wie lang’ auf dich gewartet!
Wie lang’ hat Warten sich gedehnt!
Wie lang’, bis du gestartet!

Frühlingslied II

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Es fehlte jeder Sonnenstrahl.
Kein Blättchen wollt’ sich zeigen;
die Bäume blieben ewig kahl;
kein Leben in den Zweigen.

Die Vögel, sonst schon lange da,
sie ließen auf sich warten.
Nichts war zu hören fern und nah,
im Wald, im Feld, im Garten.

Doch jetzt sich alles überschlägt:
Die Welt wird täglich bunter.
Ein jedes ist ganz aufgeregt
und wird so richtig munter.

Frühlingslied II

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Wer möcht’ bei soviel Freiheitsdrang
da nicht nach draußen dringen?
Wer möcht’ bei soviel Vogelsang
da nicht auch selbst mal singen?

Auch ich bin frei, hab’ mich entwirrt:
vergessen sind die Sorgen.
Und wenn es wieder trübe wird,
dann freu’ ich mich auf morgen!






Hörproben
Klavier: Peer Kleinschmidt, Sprecher: Eberhard Kleinschmidt

Pressestimmen

Andreas Berger

Pygmalion erweckt den Frühling. Eberhard Kleinschmidts lyrisch-musikalischer Spaziergang als Lese- und Hörbuch. Von Andreas Berger. […] Sein […] „Frühlingslied II“ am Schluss des handlichen Bands birgt die lebensweise Quintessenz: „Auch ich bin frei, hab’ mich entwirrt: vergessen sind die Sorgen. Und wenn es wieder trübe wird, dann freu’ ich mich auf morgen!“ Zu solch einem inneren Frühling, der stets und auch in Betrübnis auf ein Morgen hofft, will sein Büchlein Mut machen. Seine stets perfekt rhythmisierten Verse […] sind lustvoll, heiter, nachdenklich, ohne sich allzu wichtig zu nehmen. Und selbst mit den klischeehaften Frühlingsversatzstücken wie Grünen, Blühen, Kraftausbruch, geht er so überbordend launig um, dass man sich gern in das Getümmel seiner Verse ziehen lässt […] Einige vorgeprägte Wendungen wie „nicht bange sein“ oder „seinen Mann stehen“ wirken nicht glücklich. Aber die Ballade vom Pygmalion, der wieder schaffensmächtig wird und den Frühling aus dem Steinblock belebt, ist ein wunderbarer Wurf […]


Braunschweiger Zeitung vom 22.06.2010


Pressestimmen

Dieter Brandes

Ein vielseitiges Gesamtkunstwerk. Von Dieter Brandes. […] Ich halte dieses Buch, welches seinesgleichen sucht, für ganz und gar gelungen. Der Autor verbindet hier unterschiedlich lange Gedichte zum Thema Frühling mit einer Fülle eigener, sehr stimmungsvoller Naturaufnahmen […], indem er jeweils Texte und Fotos einander gegenüberstellt. Seine Gedichte, bewußt in überkommenen Formen, Vermaßen und Reimen verfaßt, dringen tief ein in das alljährliche Phänomen Frühling und dessen seelische Wirkung auf den modernen Menschen. […] Der chronologische Gang durch die, jedenfalls für mich, schönste Jahreszeit wird so zu einem letztlich mutmachenden, lebensbejahenden Unterfangen. Beispielhaft zum Klingen kommt das in dem mit Abstand längsten der Gedichte, der Ballade vom „Neuen Pygmalion“. […] In dieser Ballade ist das Grundthema des ganzen Buches zusammengefaßt: Aufbruch, Absage an rückwärtsgerichtetes Denken, stattdessen vorwärtsgewandter Neuanfang. […] Alles in allem ist hier ein bemerkenswertes Gesamtkunstwerk gelungen, zu welchem man den Beteiligten nur gratulieren kann.


SV-Zeitung, 112. Jahrgang, Nr. 3, Juli, August, September 2010, S.60

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Rezension

Gesamtkunstwerk für Freunde klassischer Dichtkunst.
Von Ruprecht Frieling

Ein hochwertig gearbeitetes Hardcover, das mir der glückliche Zufall in die Hände spielte, kündigt einen lyrisch-musikalischen Spaziergang durch Riddagshausen an. – Riddagshausen? –Wikipedia, ohne dessen Hilfestellung ich verloren wäre, weiß, dass es sich um ein historisch gewachsenes Naturschutzgebiet im Osten von Braunschweig handelt, dessen Kern ein altes Teichgebiet bildet.

Hier spaziert der Autor also offensichtlich gern; hier fotografiert und verdichtet er im wahrsten Wortsinn seine Eindrücke in Gedichte nach klassischem Versmaß. Zwölf Lieder sind auf diese Weise entstanden. 43 vollfarbige Fotos illustrieren großzügig die Texte und verstärken sie damit in ihrer Wirkung.

Thematisch geht es um die Erwartung des Menschen nach dem Licht, das auf die kalte Zeit folgt. Der Autor spiegelt die Hoffnung auf die Befreiung von eisigen Fesseln wie die Sehnsucht nach Ablösung von winterlichem Trübsinn und Schwermut durch des Frühlings farbenversprühenden Frohsinn. Er beschreibt den Aufbruch der Natur in neues Leben als Aufforderung an den Menschen, sich aufzurichten und neue Wege einzuschlagen.

Die Sammlung beginnt mit dem Klanggedicht »Winterüberdruss«, einem klassisch gearbeiteten Sonett mit 14 metrisch gesetzten Zeilen. Diese Gedichtform beherrscht Eberhard Kleinschmidt formvollendet, wie er bereits mit seinem Band Stationen: Sonette um Freundschaft und Liebe bewiesen hat.


Rezension

Gesamtkunstwerk für Freunde klassischer Dichtkunst.
Von Ruprecht Frieling

… Kleinschmidts lyrischer Bilderbogen ist insgesamt klangbetont gearbeitet und in unterschiedliche Reimschemata gefasst. Der Dichter verwendet als Versilbungsprinzip konsequent Endreime, die mal männlich stumpf, mal weiblich klingend, mal dreisilbrig reich auftreten.

Einen Höhepunkt des Buches bildet die Ballade »Der neue Pygmalion«. Hier schildert der Autor die Kraftlosigkeit des sagenhaften Bildhauers, der verzweifelt am Boden liegt, als sich ein Fenster öffnet und der hereinströmende Frühling ihn und seine Leidenschaft neu erweckt. Pygmalion schafft aus einem Marmorblock eine Traumgestalt, die ihm den knospenden Frühling verkörpert und die durch die Macht der Götter schließlich zum Leben erweckt wird.

Dieser ursprüngliche auf Ovid basierende Stoff wurde von George Bernard Shaw zu einer Komödie verarbeitet, die wiederum Grundlage für das Broadway-Musical »My Fair Lady« war. Damit schließt sich der Bogen zum Lied »Es grünt so grün …« und Klavierimprovisationen, mit denen Peer Kleinschmidt auf einer beiliegenden CD die Texte rahmt und klangmalerisch nachzeichnet. Auf der CD werden die zwölf Gedichttexte vom Autor selbst vorgetragen, der sich in der gelungenen Vater-Sohn-Präsentation auch nach als Rezitator profiliert.

So entstand im Ergebnis ein kleines Gesamtkunstwerk, das Freunden klassischer Dichtkunst Anregung und Freude beschert.

Wilhelm Ruprecht Frieling, 11.01.2014, Literaturzeischrift.de